Montag | Anreise
Vielleicht wurden sie ja von dem ein oder anderen bemerkt, die kleinen, über fast ganz Lehrte verteilten Grüppchen, die nach einer Viertelstunde des Wartens von einem großen grünen Grund-Bus nach und nach eingesammelt wurden. Denn so beginnt jede unserer Seniorenreisen.
Nach den ersten zwei Stunden der Fahrt und der obligatorischen Frühstückspause mit Kaffee und Brötchen, Obst und kleinen Leckereien ließ Veronika im Bus – passend zu unserem Reiseziel – eine Geschichte der Rübezahlsaga abspielen, um uns die Fahrtzeit auf unterhaltsame Weise zu verkürzen. Das muntere Stimmengewirr verstummte und setzte erst einige Zeit nach dem Ende der Geschichte leise wieder ein …
Am frühen Nachmittag wurde es Zeit für den zweiten Zwischenstopp und eine längere Busfahrerpause. Wir waren inzwischen in Bautzen. Die Gästeführer warteten wieder einmal bereits auf uns, um uns ihre Stadt zu zeigen, und so zogen wir in kleineren Gruppen langsam los. Hatten wir uns anfangs noch über die zweisprachigen Straßenschilder gewundert, erklärte uns unser Gästeführer, dass das sorbisch sei und Sorben hier auch zu Hause seien. Trotz der knapp bemessenen Zeit wies er voller Stolz auf die aufwendig renovierten Gebäude, Türme und Kirchen und erzählte dazu humorvolle Geschichten, jedoch mit der „Warnung“, dass nicht unbedingt alle so ganz wahr seien. Seine Erinnerung jedoch, in welchem Zustand die heute so schönen Häuser noch in den 90er‑Jahren waren, betrübte ihn anscheinend noch immer. Der Stadtspaziergang war für einige unserer Senioren wegen der unregelmäßig verlegten großen, rundlichen Pflastersteine etwas beschwerlich, was aber schnell vergessen war beim Anblick des heißen Kaffees und der heißen Würstchen, die Victor, unser Busfahrer, für uns bereithielt.
Und danach brachen wir zu unserem endgültigen Reiseziel auf, nach Legnica (Liegnitz).
Dienstag │Legnica, Jawor (Jauer), Świdnica (Schweidnitz)
Um 9.30 Uhr, das ist die Zeit, zu der unser Bus sonst regelmäßig zur ersten Tagestour startet, trafen wir uns erst einmal im Foyer des Hotels. Wir bekamen je einen Audioguide (mit „Stöpsel“ im Ohr) und wurden die nächsten zwei Stunden – gut erkennbar als Touristengruppe – durch die Stadt Legnica geführt. Wir erfuhren, ohne uns alle um den Gästeführer drängeln zu müssen, wie alt die Gebäude, Kirchen und Türme waren, wer sie in früheren Zeiten erbaut, bewohnt, bemalt oder auch zerstört hatte. Zur Besichtigung der Piastengruft in der Johanneskirche (Piasten = Herrscherdynastie im 10. bis 17. Jh.) kam ein zweiter Experte hinzu und erklärte die Wand- und Deckengemälde sowie die reich verzierten und vergoldeten Sarkophage.
Bald darauf endete der Stadtspaziergang, und wir fuhren nach Jawor, um die im 17. Jh. ganz aus Holz erbaute Fachwerk-Friedenskirche zu besichtigen, die seit 2001 als UNESCO-Weltkulturerbe geführt wird. Wir sahen Hunderte von Gemälden an den Wänden, vergoldete Figuren, bemalte Decken und Bänke für unglaubliche fast 5500 Sitzplätze. Wir waren beeindruckt. Und weil nicht allzu weit entfernt, in Świdnica, eine ebenfalls ausschließlich aus Holz, Sand, Lehm und Stroh erbaute Friedenskirche aus dem 17. Jh. steht, die Platz für sogar 7500 Besucher aufweist und auch seit 2001 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, fuhren wir folglich anschließend nach Świdnica, um uns auch diese Friedenskirche anzuschauen, die uns mit den vielen vergoldeten Figuren noch prunkvoller erschien. Beiden Kirchen gemeinsam ist, dass sie unter recht widrigen Bedingungen kurz nach dem Westfälischen Frieden erbaut worden sind.
Danach hatten wir uns einen ruhigen Abschluss der Besichtigungen verdient. Wir bummelten über den Marktplatz und durch die angrenzenden Straßen. Die einen fanden einen passenden Platz für ein erfrischendes Getränk, andere waren in Cafés bei Kaffee und Kuchen anzutreffen oder schlenderten mit einem Eis in der Hand im Sonnenschein umher (29 °). Es war schön.
Mittwoch │ Wrocław (Breslau)
Oh je – der Tag begann mit Regen, Blitz und Donner. Unsere Fahrt nach Wrocław startete unter dicken grauen Wolken. Doch schon nach gut einer Stunde wurde es etwas heller, und als wir schließlich in Wrocław ankamen, lohnte es bei dem letzten leichten Nieseln kaum noch, den Regenschirm aufzuspannen. Also folgten wir unserem Ritual, uns in zwei Gruppen aufzuteilen und mit jeweils einem Gästeführer zu einem ersten kleinen Stadtspaziergang über die Dominsel aufzubrechen (die aber keine Insel mehr ist, sondern die historische Keimzelle der Stadt). In einer sehr ruhigen Art erklärte uns der uns zugeteilte Gästeführer Baustile und Alter der Gebäude, Brücken, Kirchen, des Bischofspalais‘ und anderer Häuser. Ohne nachzuschauen wusste er die vielen Jahreszahlen der Bauzeiten und wusste, wer wann darin gewohnt oder regiert hatte. Wir fühlten uns wieder an eine Geschichtsstunde erinnert. Nach diesem Stadtspaziergang trafen wir uns alle am Schiffsanleger wieder und fuhren mit beiden Gästeführern ein Stückchen auf der Oder entlang und hörten die vielen Erklärungen zu dem, was wir rechts und links sahen.
Ein besonderes Bauwerk der Stadt ist die Jahrhunderthalle, zu der wir dann wieder mit dem Bus fuhren. Entstanden ist die Halle 1913 und wird seit 2006 in der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes geführt. Wir saßen auf einigen wenigen der fast 6000 Sitzplätze und ließen uns die hier erstmals erprobte Architektur erklären, die wohl in jener Zeit so abenteuerlich war, dass selbst die Fachleute einen Zusammenbruch befürchteten. Aber – die Halle steht immer noch. Zu diesem Ensemble zählt auch der Multimedia-Brunnen, zu dem wir rechtzeitig kamen, um die Wasserspiele der vielen Fontänen anzuschauen, die auf einer riesigen Wasserfläche zu der Vivaldi-Musik „Die vier Jahreszeiten“ tanzten.
Es war danach nur ein kurzer Weg zurück zum Bus. Unser Busfahrer Victor hatte wieder seinen kleinen Kaffeetisch aufgestellt, hatte heißen Kaffee, Cappuccino und Schokolade für uns, und wir saßen und standen im Sonnenschein und genossen unser Savoir-vivre.
Zum Abschluss dieses Tagesprogramms konnten wir noch einmal die Atmosphäre der Stadt genießen, wie es in Veronikas Reiseprospekt stand. Fast alle unserer Senioren suchten sich wieder ein gemütliches Plätzchen am Rand des großen Marktplatzes vor einem der zahlreichen Cafés, Eiscafés oder Restaurants – bis auf eine … Nach eineinhalb Stunden sollte Victor „seine“ 50 Seniorinnen und Senioren zurück nach Legnica fahren, doch jene eine Seniorin blieb verschwunden. Es brauchte einige Telefonanrufe und Standortübersendungen, um sie mitten in der Stadt wieder einzusammeln. Keine Frage, welches das Thema der Abendgespräche war …
Donnerstag │ Jelenia Góra (Hirschberg), Kowary (Schmiedeberg), Karpacz (Krummhübel)
… und eben dieses Gesprächsthema setzte sich am nächsten Morgen im Bus fort und endete mit einem von Victor vorgetragenen kleinen Lied. Die Stimmung im Bus? – Großartig! Dann aber fuhren wir nach Jelenia Góra. Unterwegs stieg ein Gästeführer zu uns in den Bus und begann sogleich mit seinen Ausführungen, angefangen von den Gletschermassen der Eiszeit, die die Berge und Täler des Riesengebirges geformt hatten, bis zu den Höhen und Namen der umliegenden Berge. Als wir den Bus verließen, erhielten wir wieder je einen Audioguide und gingen als abermals deutlich wahrnehmbare 50-köpfige Touristengruppe durch die historische Altstadt Jelenia Góras. Wir schauten uns die Bürgerhäuser unterschiedlicher Jahrhunderte an und hörten dazu die Kommentare des Gästeführers.
All das, die Kirchen, Schlösser und viele andere Gebäude sahen wir noch einmal als fantastische Miniaturen in der Größe 1 : 25 im Miniaturenpark in Kowary.
Danach setzten wir unsere Bus-Tagesfahrt fort und waren bald in Karpacz. Hier einmal ohne Gästeführer oder Stadtspaziergang, sondern jeder wie und wohin er wollte. Und das hatte, wie es schien, auch allen gefallen. Cafés, Touristengeschäfte und Snackbars gab es genug. Und weil für den Rest des Tages noch etwas Zeit war, sah sich ein Teil unserer umtriebigen Senioren auch noch die Stabkirche Wang an, die im 12. Jh. in Norwegen erbaut, dort abgerissen und 1841 in Karpacz wieder aufgebaut wurde. Das letzte Stück des Weges dorthin musste allerdings zu Fuß bewältigt werden, was angesichts der leichten Steigung doch etwas beschwerlich war, aber es hatte allen gefallen.
Zurück im Hotel trafen wir uns nach dem Abendessen wie gewohnt auf der Dachterrasse des Hotels. Es gab ja – wie an jedem Abend – immer viel zu erzählen.
Freitag | Rückreise
Die Koffer waren geordnet verstaut, fürs Gruppenfoto fehlte uns eine passende Umgebung, und hinter allen Programmpunkten stand inzwischen ein Häkchen. Die Rückfahrt konnte starten. Für die erste längere Pause hielten wir in Görlitz. Zum letzten Mal warteten hier wieder zwei Gästeführer auf uns, um mit unseren beiden Gruppen durch die Altstadt zu spazieren. Wenn auch mit einigen Hindernissen, denn die Görlitzer waren gerade dabei, ihr Stadtfest in der Altstadt aufzubauen. Nicht nur kleine Buden und Verkaufsstände wurden hergerichtet, auch ein großes Riesenrad nahm die ganze Breite des Marktplatzes ein. „Aber kein Problem“, meinte unsere Gästeführerin, „da gehen wir einfach drum herum, durch die anderen Straßen“, und begann, uns die Stadtgeschichte ab dem 9. Jh. zu erzählen. Trotz der kleinen Hindernisse wurde es ein lustiger Altstadt-Spaziergang, zumal sie mit recht energischer Stimme versuchte, ihre „Gäste“ einigermaßen zusammenzuhalten, auch die, die Geschichtliches nun mal nicht so interessiert. Der andere Teil der Gruppe hat sich darüber leise lächelnd amüsiert.
In Görlitz fanden wir dann doch noch eine passende Umgebung für das obligatorische Gruppenfoto, und dann ging es wirklich nach Hause.
1630 Kilometer hat Victor uns auf dieser Reise nach Polen und wieder zurück gefahren; unzählige Stunden hat Veronika das Reiseprogramm vorbereitet, ausgearbeitet und organisiert, hier und da unterstützt von ihrem Orga-Team Jürgen und Horst. Ihnen allen sagen wir herzlich danke! Uns bleiben von dieser Reise viele interessante Eindrücke und schöne Erinnerungen.
Jutta M.